Die Solidarität mit Gaza ließ sich nicht unterkriegen

Mit einer in Österreich bisher nicht da gewesenen Breite beteiligten sich am Samstag, den 17. Mai in Wien an die 200 Menschen an der Abendveranstaltung der Initiative „Gaza muss leben!“ – und das, obwohl sich ihre Abhaltung für die VeranstalterInnen vorübergehend zu einem wahrhaftigen Spießrutenlauf entwickelt hatte. Nicht nur das Albert-Schweitzer-Haus – bisher bekannt als Stätte der Toleranz und des Dialogs –, sondern auch die Arbeiterkammer Wien hatten aufgrund des Drucks von Seiten der Israelischen Kultusgemeinde und der Leitung des Dokumentationszentrums des Österreichischen Widerstands(DÖW) ihre Räumlichkeiten nach bereits gegebener Zusage ohne Angabe von Gründen zurückgezogen. Damit die Veranstaltung dennoch abgehalten werden konnte wurde letztendlich der Ort geheim gehalten werden. „Kein gutes Zeichen für die Demokratie in Österreich, wenn wir auf Methoden der Klandestinität zurückgreifen mussten, wie ich sie ich unter den Militärdiktaturen Lateinamerikas kennen gelernt hatte“, kommentierte der Koordinator der Kampagne Leo Gabriel bei der gut besuchten Protestkundgebung vor dem Albert-Schweitzer-Haus, bei der erstmals verkündet wurde, dass die Veranstaltung im nahe gelegenen Hotel Regina stattfinden würde. Denn „Gaza muss eine Stimme haben, egal, ob es der Israelischen Kultusgemeinde gefällt oder nicht und wir werden uns gegen jeden wenden, der die Anhänger dieser Kampagne als Antisemiten oder gar Holocaustleugner diffamiert“, sagte Gabriel.

Und Gaza hatte eine Stimme. Der Hauptredner des Abends, Gamal el Khoudary, unabhängiger Parlamentarier aus Gaza, machte auf die extreme Notlage der Bevölkerung Gazas aufmerksam. „Gaza befindet sich am Rand der humanitären Katastrophe.“ Die Anschuldigung, dass die Palästinenser selbst die Schuld dafür hätten, weil sie die falsche Partei gewählt hatten, wies Khoudary als Legitimation einer Kollektivstrafe zurück. „In einer Demokratie sind Wahlen zu akzeptieren, selbst wenn einem das Ergebnis nicht passt.“ Er rief die österreichische Bundesregierung dazu auf, die Unterstützung des Embargos einzustellen. Gleichzeitig appellierte er an die Anwesenden, sich so zahlreich wie möglich an Solidaritätsreisen nach Gaza zu beteiligen. Selbst wenn die Einreise scheitern sollte, würde das den politischen Druck auf Israel erhöhen.

Politische Unterstützung für die geschlagene Bevölkerung in Gaza zu erwirken war auch das grundsätzliche Anliegen Khoudarys bei seinen Gesprächen mit Andreas Schieder, Internationaler Sekretär der SPÖ, Ulrike Lunacek von den Grünen und dem im Außenministerium für den Nahen Osten zuständigen Botschafter Scheide. Bei allen diesen Gesprächen stand das bereits bei seinem Besuch in Italien vorgetragene Anliegen im Vordergrund, dass jenseits von Diskrepanzen zwischen den Palästinenserorganisationen und jenseits der bisher ergebnislos verlaufenen Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien die Europäische Union auf das Schicksal der 1,5 Millionen Menschen Rücksicht nehmen sollte, die sich auf Grund des Embargos in einer extremen Notlage befinden.

Diese Meinung teilten auch die prominenten VertreterInnen von Politik, Kultur und Religion, die bei der Veranstaltung „Gaza muss leben!“ auf dem Podium saßen. So waren alle großen Religionsgemeinschaften vertreten: Anas Schakfeh, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Paula Abrams-Hourani und Peter Melvyn von der Jüdische Stimme für einen Gerechten Frieden in Nahost (EJJP-Österreich), der katholische Betriebsseelsorger von Amstetten und Mitglied von Pax Christi Franz Sieder sowie die evangelische Theologin Viola Raheb unterstrichen, dass es sich bei Gaza keineswegs um einen religiösen, sondern einen politischen Konflikt handelt.

Schakfeh bezeichnete nicht nur das Embargo als Völkerrechtsbruch, sondern wies auch darauf hin, dass den Palästinenser/innen mit der Vertreibung aus ihrer Heimat seit sechzig Jahren ein Unrecht angetan werde, das durch das zuvor von Deutschland begangenen Unrecht am jüdischen Volk nicht gerechtfertigt werden könne. Peter Melvyn betonte, dass das 60-Jahr-Jubiläum Israels kein Anlass zum Feiern, sondern angesichts der fortgesetzten Massaker und ethnischen Säuberungen, der Nakba, vielmehr Anlass zur Trauer sei. Abrams-Hourani forderte ihrerseits Österreich und die EU zur Anerkennung der demokratisch gewählten palästinensischen Regierung auf. „Friedensstiftung“, so Sieder, ist nur möglich, wenn man den anderen nicht zum Sklaven degradiert“. Er schloss dabei an Raheb an, die analysierte, dass die israelische Propaganda versuche, den Islam als etwas Fremdes und damit als Feind darzustellen. „Der Weg zum Frieden geht über die Verständigung, beruht aber gleichzeitig auf die Herstellung von Gerechtigkeit“, sagte Sieder und fügte in Anspielung auf Israel hinzu: „Die prinzipielle Opposition gegen Atomwaffen bedeutet, sich auch gegen jene zu richten, die derzeit diese Waffen in ihrem Arsenal haben“.

Die österreichische Abgeordnete zum Europäischen Parlament, Karin Resetarits, die dem Block der Liberalen angehört, berichtete von ihrer Reise nach Gaza: „Ich habe noch nie etwas Schrecklicheres gesehen“. Und Fritz Edlinger, Generalsekretär der Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen, attackierte Außenministerin Plassniks Lobhudelei für Israel, die das an den Palästinenser/innen verübte Unrecht ganz in der Diktion ihrer „besten Freundinnen“ Condoleeza Rice and Tzipi Livni völlig außer Acht ließe. Aber nicht nur die Konservativen, sondern auch die Sozialdemokraten klagte er der visionslosen Feigheit an. Erst die Rückkehr zu einer Nah-Ost-Politik im Kreisky-Stil, die die Anerkennung der Mehrheit der Palästinenser/innen zum Ausgangspunkt hätte, könnte die Türen zur Lösung des Konflikts aufstoßen.

Die Welle an Zustimmung und Solidarität, die die Initiative „Gaza muss leben“ in Reaktion auf die Schmutzkübelkampagne empfangen hat, gibt Hoffnung und Mut. Das Personenkomitee bedankt sich dafür und ruft alle Unterstützer/innen dazu auf, sich an den weiteren Aktivitäten zu beteiligen. Als nächster Schritt wird an die Übergabe des an die Tausend Unterschriften zählenden Dokuments und die Vorbereitung einer Delegation nach Gaza gedacht.

Für die Kampagne „Gaza muss leben!“

Leo Gabriel
Paula Abrams-Hourani
Fritz Edlinger
Peter Melvyn
Wilhelm Langthaler

www.gazamussleben.at