Politischer Prozess gegen Palästina-Aktivisten Pröbsting

Solidaritätskundgebung für Michael Pröbsting in der Nähe des Landesgerichts

Bericht über die Hauptverhandlung am Straflandesgericht Wien vom 2. Mai 2024

von Walter Höller, pensionierter Jurist, als einer der ganz wenigen zugelassenen öffentlichen Beobachter

 

Vorausgeschickt muss werden, dass es sich natürlich um einen politischen Prozess gehandelt hat.

Bemerkenswert war, dass die Verhandlung unvorhersehbar plötzlich in einen kleinen Verhandlungssaal verlegt wurde und damit einige Reporter und Zuschauer keinen Eintritt hatten. Daher wurde die Öffentlichkeit bewusst vom Prozess ausgeschlossen, es waren ca. gleichviele Polizisten im Raum anwesend wie Reporter und ca. 2 höchstens 3 Personen als Öffentlichkeit.

Eindeutig ein Beweis für einen politischen Prozess und das Abhalten der ungewollten Öffentlichkeit. Es war daher eine Kammeraljustiz wie unter Metternich, weit weg von einem demokratischen, rechtsstaatlichen Verfahren.

Ab der Mitte des Verfahrens war für mich das Ergebnis (Schuldspruch) klar.

Rechtsmittel: Bis Montag 6. Mai 2024 muss das Rechtsmittel gegen das Urteil angemeldet werden, damit es nicht rechtskräftig wird. Das Einbringen der Anmeldung der Berufung zwingt den Richter, sein Urteil schriftlich auszufertigen und den Parteien zuzustellen. Erst wenn das schriftliche Urteil zugestellt wurde, kann Berufung gegen das Urteil schriftlich eingebracht werden.

Das Einbringen der (vollen) Berufung erachte ich persönlich, aus heutiger Sicht, als sinnvoll – man muss jedoch erst auf die Ausfertigung des Urteils warten um dann konkret in die Sache einzutauchen. GRUND: Obwohl das Urteil für den Angeklagten glimpflich ausgefallen ist (bedingte Strafe von 6 Monaten auf 3 Jahre Bewährung) ist die Gefahr gegeben, dass der Angeklagte in seiner weiteren Tätigkeit eingeschüchtert wird, da niemand sagen kann, was in Zukunft geschieht. In Zukunft wäre die Unbescholtenheit als Milderungsgrund weg und die bedingte Strafe kann dann in eine unbedingte Haft umgewandelt werden.

Interessant finde ich, dass sich niemand der Frage der Verfassungsmäßigkeit des §282a StGB gestellt hat.    

Aufforderung zu terroristischen Straftaten und Gutheißung terroristischer Straftaten

§ 282a. (1) Wer in einem Druckwerk, im Rundfunk oder in einem anderen Medium oder sonst öffentlich auf eine Weise, dass es vielen Menschen zugänglich wird, zur Begehung einer terroristischen Straftat (§ 278c Abs. 1 Z 1 bis 9 oder 10) auffordert, ist, wenn er nicht als an dieser Handlung Beteiligter (§ 12) mit strengerer Strafe bedroht ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.

(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer auf die im Abs. 1 bezeichnete Weise eine terroristische Straftat (§ 278c Abs. 1 Z 1 bis 9 oder 10) in einer Art gutheißt, die geeignet ist, die Gefahr der Begehung einer oder mehrerer solcher Straftaten herbeizuführen.

Grund:

Hier geht es eindeutig um eine „Terroristische Straftat“

Aber, was ist eine terroristische Straftat?

Hier müssen wir § 278StGB insbesonders § 278c StGB betrachten

Terroristische Straftaten

§ 278c. (1) Terroristische Straftaten sind

     1. Mord (§ 75),

     2. Körperverletzungen nach den §§ 83 bis 87,

     3. erpresserische Entführung (§ 102),

     4. schwere Nötigung (§ 106),

(Anm.: Z 5 aufgehoben durch Art. 1 Z 1, BGBl. I Nr. 40/2023)

     6. schwere Sachbeschädigung (§ 126), Datenbeschädigung (§ 126a) und Störung der Funktionsfähigkeit eines Computersystems (§ 126b), wenn dadurch eine Gefahr für das Leben eines anderen oder für fremdes Eigentum in großem Ausmaß entstehen kann oder viele Computersysteme (§§ 126a Abs. 3, 126b Abs. 3) oder wesentliche Bestandteile der kritischen Infrastruktur (§§ 126a Abs. 4 Z 2, 126b Abs. 4 Z 2) beeinträchtigt werden,

     7. vorsätzliche Gemeingefährdungsdelikte (§§ 169, 171, 173, 175, 176, 177a, 177b, 178) oder vorsätzliche Beeinträchtigung der Umwelt (§ 180),

     8. Luftpiraterie (§ 185),

     9. vorsätzliche Gefährdung der Sicherheit der Luftfahrt (§ 186),

    9a. Aufforderung zu terroristischen Straftaten und Gutheißung terroristischer Straftaten (§ 282a) oder

   10. eine nach § 50 des Waffengesetzes 1996, § 43 des Sprengmittelgesetzes 2010 oder § 7 des Kriegsmaterialgesetzes vorsätzliche strafbare Handlung,

wenn die Tat geeignet ist, eine schwere oder längere Zeit anhaltende Störung des öffentlichen Lebens oder eine schwere Schädigung des Wirtschaftslebens herbeizuführen, und mit dem Vorsatz begangen wird, die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern, öffentliche Stellen oder eine internationale Organisation zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu erschüttern oder zu zerstören.

(2) Wer eine terroristische Straftat im Sinne des Abs. 1 begeht, ist nach dem auf die dort genannte Tat anwendbaren Gesetz zu bestrafen, wobei das Höchstmaß der jeweils angedrohten Strafe um die Hälfte, höchstens jedoch auf zwanzig Jahre, hinaufgesetzt wird.

(2a) Wer mit einer der in Abs. 1 Z 1 bis 10 bezeichneten Straftaten droht, ist, wenn er diese Drohung mit der in Abs. 1 genannten terroristischen Eignung und dem dort bezeichneten Vorsatz begeht, mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

(3) Eine Tat nach Abs. 1 oder Abs. 2a gilt nicht als terroristische Straftat, wenn sie auf die Herstellung oder Wiederherstellung demokratischer und rechtsstaatlicher Verhältnisse oder die Ausübung oder Wahrung von Menschenrechten ausgerichtet ist.

§ 278c. (1) Terroristische Straftaten sind- und hier ist eine Aufstellung der Straftaten, die sowohl als „einfache“ Straftat begangen werden können z:Bsp. Mord kann als   „einfache“  Straftat begangen werden (z.Bsp. um die Lebensversicherung zu kassieren) oder aber als „qualifizierte“ Straftat begangen werden -also als Akt des Terrors.

Keine Strafe ohne Gesetz

§ 1. (1) Eine Strafe oder eine vorbeugende Maßnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die unter eine ausdrückliche gesetzliche Strafdrohung fällt und schon zur Zeit ihrer Begehung mit Strafe bedroht war.

Ich habe im StGB keine Erklärung gefunden, was Terrorismus eigentlich ist. Offenbar gehen alle davon aus, dass jeder weiß, was Terrorismus ist, aber um strafbar zu sein braucht es eine klare Definition des Wortes „Terrorismus“, da keine Strafe ohne Gesetz und § 282a StGB setzt die Definition von Terror voraus.

Auch § 278c StGB hilft uns nicht weiter, da auch § 278c den Begriff „Terror“ nicht definiert und ihn aus der Luft greift. § 278c StGB zählt nur Straftaten auf die sowohl „einfache“ Straftaten sein können oder aber auch „qualifiziert“ als Terror Straftaten ausgeführt werden können und das heißt nichts anderes dass nur die Straftaten als Terrortaten in Frage kommen, die im § 278c StGB aufgezählt sind und keine andern Straftaten, als Terrortaten in Frage kommen.

Jedoch: Habe ich keinen § gefunden, der mir sagt, was überhaupt ein Terrorakt oder Terrorstraftat ist.

Es wäre daher interessant, wenn wir mit dem Thema nach Straßburg gehen.

Staatsanwaltschaft:

Die Staatsanwältin war sehr emotional und hat Sachen vorgebracht, die bereits widerlegt waren. Sie hat öfters vom stärksten Genozid seit dem Holocaust gesprochen und vom mehr als 1200 Toten Israelis, was schlicht falsch ist. Natürlich muss man ihr zu Gute halten, dass es ihre Aufgabe ist, eine Verurteilung zu erreichen. Weiters muss man wissen, dass die Staatsanwältin weisungsgebunden ist und nicht immer aus eigenem Antrieb agieren kann.  Auch muss man in Betracht ziehen, dass ihre Karriere von den Vorgesetzten abhängig ist und das ist letztlich der Ministerin zu gefallen.

Als Zuhörer hatte man den Eindruck die Staatsanwältin versucht eine Geschworenenbank aus Laien von ihrer Ansicht zu überzeugen, daher die unnötigen öfteren Hinweise auf Holocaust – und nicht einen ausgebildeten Berufsrichter.

Eine Gefahr für unsere Demokratie und Rechtsstaat geht ausgerechnet von einer „grünen“ Justizministerin aus. Sie fordert eine Verfolgung der palästinänsischen Freiheitsbewegung um jeden Preis und es gibt auch einen Erlass dafür.

Ergebnis:

„grün“-wählen heißt, in Zukunft die Gefahr „austrofaschistisch“ zu wählen!

Urteil:

Das schriftliche Urteil ist abzuwarten. Aber was ich verstanden habe wurde der Angeklagte deswegen verurteilt, weil er den inkriminierenden Artikel nicht gelöscht hat.

Also nicht wegen des Videos nach § 282a StGB, sondern nur weil er den Artikel nicht gelöscht hat und in Bezug auf das Medienrecht. Es kann sich im Endeffekt um eine medienrechtliche Frage handeln -daher ist auf das aufhellende schriftliche Urteil zu warten.

 

Stellungnahme von M. Pröbsting nach der Verhandlung